Entsteht ein Hurrikan vor Brasilien?

In den kommenden Tagen könnte vor der Küste von Brasilien ein seltener Tropensturm entstehen. Die verschiedenen Wettermodelle sind sich weitgehend einig, dass sich zumindest ein kräftiges Tiefdruckgebiet im Bereich nordöstlich von Rio de Janeiro bildet, aus dem ein Sturm hervorgehen könnte. Einzelne Modelle lassen daraus sogar einen Hurrikan werden. Ob dieser auch das Festland bedrohen könnte, ist noch völlig offen. Erinnerungen werden wach an den Hurrikan CATARINA, der vor 15 Jahren weiter südlich auf die brasilianische Küste traf: Damals gab es mehrere Tote und große Schäden.




Satellitenbild vom Freitagvormittag, Quelle: NOAA

Bereits seit Donnerstag (21. März) entstehen dicht vor der brasilianischen Küste vermehrt kräftige Schauer und Gewitter, die sich allerdings bodennah noch nicht um ein Zentrum herum formieren. Der gesamte Küstenbereich ist in dieser Region dicht besiedelt. In Salvador, der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia, leben etwa 2,6 Millionen Menschen. Im Stadtgebiet von Rio de Janeiro sind es etwa 6,7 Millionen und in der Region Rio de Janeiro etwa 13,3 Millionen Menschen. Dazwischen liegt zum Beispiel auch die Stadt Porto Seguro mit rund 150.000 Einwohnern.

Höhenwind am Sonntagmittag aus dem US-Modell, Quelle: NOAA

 

Bei nur schwachem Höhenwind und damit geringer vertikaler Windscherung sowie hohen Wassertemperaturen um 28 Grad sind die Bedingungen für die Entwicklung eines tropischen Wirbelsturmes in den nächsten Tagen günstig. Sollte hier ein Tropensturm entstehen, wäre der nächste Name auf der Liste des Centro de Hidrografia da Marinha (CHM) IBA, wenn man nach der Liste geht, die das CHM im Jahre 2011 aufstellte. Ob sich tatsächlich ein Sturm bildet und wohin dieser dann zieht, ist derzeit noch völlig offen.

Satellitenbild Hurrikan CATARINA am 26.03.2004, Quelle: NRL Monterrey

Tropenstürme und Hurrikane sind auf dem Südatlantik ein seltenes Ereignis. Im März 2004 bildete sich zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen auch auf dem Südatlantik ein voll ausgebildeter Hurrikan. Weder der brasilianische Wetterdienst noch andere internationale Dienste hatten die Entwicklung um den 24. bis 26. März zunächst wahrgenommen oder gar vorhergesagt, niemand hatte wohl damit gerechnet. Zunächst gab es auch internationale Streitigkeiten, ob der Sturm denn nun ein Hurrikan, ein Zyklon oder was auch immer war. Er bekam in den brasilianischen Medien den inoffiziellen Namen „Catarina“ nach einem der beiden betroffenen Staaten Santa Catarina und Rio Grande do Sul, Warnungen vor einem möglichen Hurrikan wurden jedoch nicht herausgegeben.

Der ungewöhnliche Hurrikan entstand aus einer Störung, die ursprünglich nicht tropisch war. Ein mit höhenkalter Luft angefülltes Tief wirbelte am 22./23. auf dem südlichen Atlantik, etwa in 28 bis 29 Grad südlicher Breite. Am 24. und 25. März wandelte sich das Tief in ein tropisches System um, es wurde von unten erwärmt. Das Wasser wies in dem betreffenden Seegebiet knapp 1.000 Kilometer östlich von Brasilien Temperaturen um 25 Grad auf, was durchaus für eine solche Umwandlung ausreicht. Diesen Prozess kennt man vom nördlichen Atlantik etwa 2 bis 3mal im Jahr.

Der Hurrikan richtete in den beiden betroffenen Staaten Südbrasiliens erhebliche Verwüstungen an, es gab Tote und Verletzte. Zahlreiche Gebäude stürzten ein und Tausende weitere wurden zum Teil schwer beschädigt. Ein weiteres Thema in den Medien war vor allem in Brasilien der Streit zwischen den Meteorologen, ob es sich um einen Hurrikan oder ein außertropisches Tief handelte. Dem staatlichen Wetterdienst wurde vorgeworfen, die Lage nicht erkannt und falsch eingeschätzt zu haben.

Tropensturm vor Brasilien am 09.03.2010, Quelle: OSEI/NOAA

Insgesamt war das ganze System Ende März 2004 ein gut ausgeprägter Hurrikan, der erste, der seit Beginn der Beobachtungen auf dem Südatlantik registriert wurde. Auch ein Tropischer Sturm wurde bis dahin zumindest offiziell nicht beobachtet. Im April 1991 hatte sich mitten auf dem Atlantik eine Tropische Depression gebildet, die sich ein paar Tage hielt und sich dann wieder auflöste. Sie erreichte möglicherweise für kurze Zeit auch Sturmstärke, bekam aber keinen Namen und richtete natürlich nichts weiter an. Dann gab es im Mai 2001 noch ein hurrikanähnliches System weiter südlich sowie im Januar 2004 ein verdächtiges System vor dem afrikanischen Kongo. Weitere Fälle von Stürmen auf dem südlichen Atlantik gab es in den vergangenen Jahren. Im März 2010 (siehe Satellitenbild) entstand vor der südbrasilianischen Küste aus einem außertropischen Tief am 09.03. ein Subtropischer und dann sogar ein Tropischer Sturm, der zwar kein Land bedrohte, aber schon bemerkenswert war. Die höchsten Windgeschwindigkeiten reichten am 10.03. bis etwa 75 km/h mit noch stärkeren Böen. Der Sturm hielt sich zwei Tage lang, er wurde inoffiziell „Anita“ getauft.

Die mittlere Temperatur des tropischen Südatlantiks beträgt etwa 26 Grad, das könnte eigentlich schon mal ausreichen. Im Herbst (bei uns Frühling) reichen die Temperaturen vor der nordbrasilianischen Küste auch bis 28 oder 29 Grad, vor Porto Alegre im Süden des Landes sind es rund 25 Grad. Es wurden zahlreiche Theorien aufgestellt, warum sich auch über Jahrzehnte hinweg kaum ein Sturm bildete. Die Satellitenüberwachung ergab jedenfalls bis zu dem System im Jahre 1991 nichts. Das Problem liegt wohl unter anderem darin, dass die innertropische Konvergenzzone immer im Bereich des Äquators oder nördlich davon liegt, aber nicht südlich. In der Passatwindzone südlich davon fehlen die Easterly waves (westwärts ziehende Störungen, die von Afrika auf den Atlantik ziehen und Auslöser für Hurrikane sein können) weitgehend. Dazu kommt die meiste Zeit noch starke Windscherung, die eine weitere Entwicklung in Frage kommender Systeme verhindert. Alles zusammen bewirkt wohl das weitgehende Ausbleiben von Hurrikanen auf dem Südatlantik, manchmal passt dennoch alles zusammen.

Ausführliche Informationen zu Unwettern aller Art und anderen Naturgewalten gibt es auf meiner umfangreichen Internetseite:




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