F4-Tornados in Europa ungewöhnlich?

Am 24. Juni richtete ein verheerender Tornado in mehreren Orten im Südosten Tschechiens sehr große Schäden an. Nach Medienberichten kamen 5 Menschen ums Leben und etwa 200 wurden verletzt. Nach offiziellen Untersuchungen des tschechischen Wetterdienstes und des europäischen Sturmzentrums ESSL erreichte der Tornado in der mindestens 26 Kilometer langen Schneise an zahlreichen Stellen die Stärke F4 auf der Fujita-Skala mit Windgeschwindigkeiten 350 und 400 km/h.




Ist die Stärke des Tornados außergewöhnlich? Wann gab es in Europa zuletzt einen so starken Tornado? Und gab es solche Zerstörungen auch schon mal in Deutschland?

Europaweit war der Tornado in Tschechien der stärkste seit einem gewaltigen Wirbel, der am 08.07.2015 Dolo und Mira im norditalienischen Venetien traf. Davor traten im Sommer 2008 zwei F4Tornados in Nordfrankreich und Polen auf.

In Deutschland wurde zuletzt am 25. Mai 1979 ein F4-Tornado beobachtet. Damals hinterließ ein Tornado im Bereich Doberlug-Kirchhain und Schönborn-Eichwald im südlichen Brandenburg eine mehr als 50 Kilometer lange und bis zu 400 Meter breite Schneise der Verwüstung. Von der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Prestewitz wurden fünf tonnenschwere Mähdrescher aus einer Halle heraus teils über eine größere Strecke verfrachtet.

Tornado in Pforzheim am 10.07.1968, Peter Zeller

Der bekannteste F4-Tornado trat am 10. Juli 1968 unter anderem in Pforzheim (Baden-Württemberg) auf. Zwei Menschen starben und mehr als 2.300 Gebäude wurden in der etwa 35 Kilometer langen Schneise zum Teil schwer beschädigt.

Es folgt eine Zusammenstellung mit den bisher bekannten F4-Tornados in Deutschland seit 1891:

24.05.1979 F4 Schönborn-Eichwald, bei Doberlug-Kirchhain (BRB)
10.07.1968 F4 Ittersbach, Pforzheim (BW)
15.07.1936 F4 Wiepkenhagen (MV)
10.01.1936 F4 Düsseldorf-Werth, Oberkassel (NRW)
01.06.1927 F4 Lienerloh, Auen-Holthaus, Vrees (NDS)
04.06.1910 F4 West-, Ostrhauderfehn b. Leer (NDS)
07.08.1898 F4 Köln, Wipperfürth (NRW)
14.07.1894 F4 Forstinning, Forstern-Tading, Isen (BY)
01.07.1891 F4 Lind, Dülken, Süchteln, Anrath, Krefeld (NRW)

Quelle: Tornadoliste Deutschland

Es geht übrigens noch deutlich stärker: Bisher sind zwei F5-Tornados mit fast unvorstellbaren Schäden in Deutschland bekannt: Im Juni 1764 in Mecklenburg und im April 1800 in Sachsen.

Quelle: G. B. Genzmer, Beschreibung des Orcans, welcher den 29ten Jun. 1764 einen Strich von etlichen Meilen im Stargardischen Kreise des Herzogthums Mecklenburg gewaltig verüstet hat, Berlin und Stettin, 1765

Fazit: Tornados in der Stärke wie kürzlich in Tschechien treten in Europa nicht allzu häufig auf, aber sie kommen immer wieder mal vor. Dabei gilt, dass Tornados bei uns genauso stark sein können wie in den USA. Die meisten Tornados sind nur schwach – dies gilt auch in Nordamerika. Dass dort mehr Tornados vorkommen, ist ganz normal, die betroffene Fläche ist wesentlich größer. Allein der Bundesstaat Texas ist etwa doppelt so groß wie Deutschland. Umgerechnet pro Fläche hinkt Deutschland nicht weit hinter Texas her. Auch die Verteilung der Tornadostärken ist ähnlich.

Ein Tornado wie in Tschechien kann bei entsprechender Wetterlage auch in Deutschland jederzeit wieder vorkommen. Trifft er auf bewohnte Gebiete oder sogar größere Städte, muss im schlimmsten Fall mit vielen Toten gerechnet werden.

Titelbild: Tornadoschäden am 24.05.1979, Foto: Willy Adler

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