Vor 15 Jahren: Tornadoserie in Norddeutschland

Am 27. März 2006 stellte sich für die Jahreszeit in Norddeutschland eine ungewöhnliche Wetterlage ein. Nur wenige Tage zuvor herrschten fast noch winterliche Temperaturen in Deutschland, bevor sich feuchtmilde Luft vom Mittelmeer bis nach Norddeutschland ausbreitete. Im Bereich einer Kaltfront und davor entstanden ab dem späten Nachmittag zunächst im westlichen Niedersachsen teils kräftige Gewitter, die in den Folgestunden weitere Teile Norddeutschlands erfassten und mindestens 8 bestätigte Tornados in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hervorriefen. Dazu kommen noch 6 Verdachtsfälle. Tragischerweise kamen in Hamburg zwei Kranführer durch einen Tornado ums Leben. Üblicherweise spricht man ab 6 Tornados innerhalb kurzer Zeit in einem begrenzten Gebiet von einem Tornado-Ausbruch.




Ein erster Tornado wurde zwischen 17:16 und 17:29 Uhr MESZ von zahlreichen Augenzeugen aus Bremerhaven und Nordenham in südliche bis südwestliche Richtung beobachtet. Er richtete in Esenshamm an der Unterweser erhebliche Schäden vor allem an einem landwirtschaftlichen Betrieb an. Fast zeitgleich wurde von etwa 17:20 bis 17:25 Uhr MESZ bereits der nächste Tornado in Niedersachsen beobachtet. In Stenum und Schönemoor (beides Stadt Ganderkesee, Landkreis Oldenburg), nordwestlich von Delmenhorst, und in Bremen-Strom traten erhebliche Schäden auf. Der Tornado zog weiter nach Nordosten in Richtung Bremen, wo er über dem nördlichen Stadtgebiet keinen Bodenkontakt mehr hatte und zwischen 17:30 und 17:40 Uhr MESZ von zahlreichen Augenzeugen (darunter auch der Wetterbeobachter am Flughafen Bremen) als Funnel beobachtet wurde, bevor er sich auflöste. Ein dritter Tornado wurde zwischen 17:55 und 18:08 Uhr (genauerer Zeitpunkt nicht ganz klar) von Rosengarten-Nenndorf (südwestlich von Hamburg) aus von mehreren Augenzeugen beobachtet und auch fotografiert. Es ging Schlag auf Schlag weiter: Zwischen 18:10 und 18:15 Uhr MESZ zog ein vierter Tornado von Südwesten her über den Südrand des Ortes Dohren bei Tostedt, südwestlich von Hamburg, hinweg. Hier gab es an einzelnen Gebäuden und Gartenhäusern Schäden.

Tornado in Hamburg-Harburg beim Auftreffen auf die Stromleitung, Foto: Martin Kunkel

Etwa zwischen 18:54 und 19:04 Uhr MESZ richtete der stärkste Tornado der Serie im Süden Hamburgs erhebliche Schäden an. Betroffen war vor allem der Stadtteil Harburg und hier besonders der Hafenbereich. Hier gab es zwei Tote (Kranführer in umstürzenden Baukränen an der Harburger Schlossstraße) und weitere Verletzte. Nach den vorliegenden Meldungen und Berichten entstanden Schäden in zweistelliger Millionenhöhe. Dachteile waren von dem Tornado mitgerissen worden und gegen eine Überlandleitung geflogen. Die Stromversorgung von 300.000 Menschen im Süden Hamburgs fiel stundenlang aus. Das THW sicherte die Stromversorgung von wichtigen Einrichtungen wie dem Harburger Krankenhaus. Die Reparatur der Stromleitungen dauerte bis in den Mai und nach Auskunft des Stromversorgers Vattenfall beliefen sich allein hier die Schäden auf etwa 5 Millionen Euro.

Baustelle in Hamburg-Harburg mit umgestürzten Baukränen, Foto: Jens Seemann



Kurz vor 19 Uhr MESZ richtete ein weiterer Tornado leichte Schäden an Bäumen und Gebäuden in Vahrendorf und Ehestorf südwestliche von Hamburg an. Menschen wurden nicht verletzt. Offen ist der mögliche Zusammenhang zwischen dem Ereignis in Ehestorf unmittelbar an der Grenze zum Hamburger Stadtgebiet und dem bestätigten Tornado in Hamburg-Harburg. Die ersten bekannten Schadensorte dort befinden sich etwa 5,5 Kilometer nordöstlich von Ehestorf.

Der 7. Tornado entstand kurz vor 20 Uhr südlich der Autobahn A 24 Hamburg – Berlin, die er im Bereich westlich der Raststätte Gudow in Richtung Nordosten überquerte. Es folgte eine lang gezogene Schneise durch ein Waldgebiet, bevor der Tornado den kleinen Ort Segrahn an der Grenze Schleswig-Holstein – Mecklenburg-Vorpommern erreichte. Hier entstanden erhebliche Schäden an mehreren Gebäuden. Glücklicherweise gab es weder auf der durch zahlreiche Bäume blockierten Autobahn noch in Segrahn Verletzte.

Schauplatz des 8. Tornados des Tages war der Ort Roggendorf im westlichen Mecklenburg, etwa 8 Kilometer östlich von Ratzeburg (Schleswig-Holstein). Hier traten am Abend des 27. März zwischen 20 und 21 Uhr Schäden auf, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen Tornado zurückzuführen sind. Fotos oder Beobachtungen des Tornados selbst liegen nicht vor. Im Ort Roggendorf entstanden auf einer Länge von etwa 1,1 Kilometern und einer Breite von ca. 40 bis 60 Metern meist leichte Schäden an Dächern und Bäumen. Ein Dach eines Schuppens wurde komplett abgedeckt und die einzelnen Teile verfrachtet, sie landeten teilweise in Bäumen. An weiteren Gebäuden wurden Dachpfannen heruntergerissen. Einige größere Äste brachen von Bäumen ab. Am östlichen Ortsausgang traf der mutmaßliche Tornado mehrere Gartenhäuser, deren Dächer auf einem Feld landeten. Teile der Dachpappe flogen bis etwa 200 Meter weit. Verletzt wurde in Roggendorf niemand.

Titelfoto: Tornado in Dohren, Foto: Oliver Klostermann

Ausführliche Informationen zu Unwettern aller Art und anderen Naturgewalten gibt es auf meiner umfangreichen Internetseite:




Ein Gedanke zu „Vor 15 Jahren: Tornadoserie in Norddeutschland

  • Dienstag, 20. April 2021 um 23:54 Uhr
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    Das war sowiso ein Tornado Jahr ,das bisher unübertroffen war. Laut Tornadoliste.de war das Jahr mit 121 bestätigten Tornados und nochmals 180 eines der Tornadoaktivsten Jahre überhaupt (1 Plausibel) . Einzig 2016 gab sehr eine höhere Zahl mit 489 wobei es nur 62 bestätigte und 412 Verdachtsfälle gab. (12 Plausibel). Wir können froh sein das es zur Zeit „relativ“ ruhig ist. Gerade diese Tornadoserie in 2006 zeigt wenn die Natur brüllt haben wir nichts mehr zu melden.

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