Ein Tornado ist unsichtbar…
… so lange er nicht sichtbar gemacht wird. Denn ein Tornado ist ein Wirbel aus Luft und Luft ist nun mal unsichtbar. Sichtbar wird ein Tornado nur durch Kondensation (Wolkenbildung) im oberen Bereich – es erscheint die so genannte Trichterwolke (englisch: Funnelcloud), die mal kürzer, mal weiter hinabreicht – und durch aufgewirbelten Staub oder auch aufgewirbeltes Wasser und bei Schäden durch Trümmer im unteren Bereich. Dazwischen bleibt der Wirbel oft unsichtbar. Hier soll kurz erläutert werden, was eine Trichterwolke und was ein Tornado genau ist.
Ich möchte an dieser Stelle vor allem mit Irrtümern aufräumen, die sich hartnäckig halten und auch in den Medien immer wieder auftauchen.
- Eine Trichterwolke ist keine Vorstufe zu einem Tornado. Denn das Wort Vorstufe impliziert, dass sich daraus etwas entwickeln kann. Das geht aber gar nicht. Denn die Trichterwolke ist nur der durch Kondensation sichtbare Teil des Wirbels, der sich unsichtbar nach unten fortsetzt. Gibt es durch den Wirbel Auswirkungen am Boden, ist es ein Tornado, der also nicht durchgehend sichtbar sein muss. Es gilt also Tornado = Wirbel, Trichterwolke = Wolke und Teil des Wirbels. Aus einer Wolke kann schlecht ein Wirbel werden, aus einer Trichterwolke wird kein Tornado. Weg also mit der Vorstufe.
- Die Definition eines Tornados lautet: Ein Tornado ist ein eng begrenzter Wirbel, der von einer konvektiven Wolke (Schauer, Gewitter) bis zum Boden reicht. Nachweisen lässt sich ein Tornado im oberen Bereich eben durch die Trichterwolke, im unteren Bereich durch Schäden und vor allem durch die Art der Schäden. Reicht die Trichterwolke sehr weit hinab, kann von einem Wirbel am Boden und damit von einem Tornado ausgegangen werden. Die Trichterwolke muss also nicht bis zum Boden reichen, damit es ein Tornado ist. Andersherum kann man einen Tornado auch durch die Schäden und deren Art nachweisen, hier vor allem durch die Schneise, Fallmuster der Bäume, Trümmerflug und Verfrachtung von Gegenständen.
- Eine Trichterwolke ist harmlos. Das stimmt zwar für die Wolke an sich, aber da der Wirbel weiter hinab reicht, müssen beim Anblick einer Trichterwolke alle Alarmglocken läuten. Vor einigen Jahren passierte bei einem Jugendzeltlager in der Eifel folgendes: Jugendliche und Betreuer erblickten eine Trichterwolke und dachten sich, das wäre ungefährlich, weil sich das Geschehen ja „da oben“ abspielte. Die Trichterwolke blieb auch da oben, aber Sekunden später waren die Zelte weg. Zum Glück gab es keine schweren Verletzungen, das hätte aber allzu leicht schief gehen können. Bei manchen Tornados ist nicht einmal eine deutliche Trichterwolke zu sehen.
Und wenn wir schon mal dabei sind: Tornados sind nicht selten in Deutschland, sie gehören vor allem im Sommerhalbjahr auch in Deutschland sowie im übrigen Mitteleuropa dazu. Allein in Deutschland treten in jedem Jahr einige Dutzend bestätigte Tornados auf, dazu kommt eine dreistellige Zahl an Verdachtsfällen. Die Dunkelziffer dürfte also hoch sein. Im Jahr 2016 wurden neben den 77 bestätigten oder plausiblen Tornados noch mehr als 400 Tornadoverdachtsfälle gemeldet.
Dabei werden Tornados in Deutschland oftmals noch unterschätzt, teils als Windhosen (genau genommen korrekt, da ältere Bezeichnung, aber häufig verniedlichend gebraucht), teils auch als „Mini-Tornados“ bezeichnet. Tornado sind aber grundsätzlich von den Ausmaßen her klein, alle „Mini“. Der Begriff wurde aber mal von einigen Medien eingeführt, um zu zeigen, dass Tornados bei uns grundsätzlich schwächer sind als in den USA. Dies ist aber falsch. Tornados können in Mitteleuropa genauso stark sein wie in den USA, selbst tonnenschwere Mähdrescher wurden schon durch die Luft gewirbelt. Zuletzt richtete im Juni 2021 ein verheerender Tornado in Tschechien schwere Schäden an, mehrere Menschen kamen ums Leben. Die meisten Tornados sind allerdings nur schwach – auch in den USA. Also bitte auch weg mit den „Mini-Tornados“, am besten auch weg mit den „Windhosen“.
Der Text oder Auszüge daraus dürfen jederzeit gern zitiert werden mit Quellenangabe Unwetteragentur oder Tornadoliste Deutschland.
Titelbild: Ricardo Kröning
Ausführlichehe Informationen zu Unwettern aller Art und anderen Naturgewalten gibt es auf meiner umfangreichen Internetseite:
Fazit: jede Funnelcloud ist als prinzipiell hochgefährlich zu betrachten. Andererseits gibt es in Mitteleuropa sicher sehr viele Funnelclouds unter denen letztendlich keinerlei Schäden feststellbar sind da das Systems doch zu schach war dafür (F0, F1). Sicherlich sollte vor allem bei Hobbyspottern wie mir die Vorsicht über die Neugier siegen…