Zerfall eines Rieseneisbergs
Sobald ein Eisberg geboren ist, beginnt er direkt wieder zu sterben. Meereswellen nagen an seinen Kanten, die Luft taut ihn von oben und das Wasser bringt ihn von unten zum Schmelzen. Dies gilt auch für einen der bekanntesten und größten Eisberge seit Beginn der Aufzeichnungen.
Im Juli 2017 brach der gewaltige Eisberg A-68 vom Larsen C Eisshelf an der Küste der Antarktischen Halbinsel ab. Zu dem Zeitpunkt war es der weltweit größte Eisberg und der sechstgrößte seit mindestens 30 Jahren. Der Eisberg wies eine Fläche von 5.800 Quadratkilometern auf und war damit mehr als doppelt so groß wie das Saarland. Damit hatte A-68 viel zu verlieren. Dreieinhalb Jahre spâter brach der Eisberg auseinander und schmolz. Dabei hinterließ er deutliche Spuren nahe der abgelegenen Insel South Georgia.
Anne Braakmann-Folgmann und weitere Kollegen an der University of Leeds (England) haben die Reise des Eisbergs A-68A verfolgt – das zweite A erhielt der Eisberg, nachdem er ein kleines Stück verloren hatte. Sie zeichneten mit Satellitenbildern die Dicke, die Größe, das Volumen und die Masse auf, seit der Eisberg im Juli 2017 vom Shelfeis abgebrochen war und bis er im Januar 2021 begann sich rasch aufzulösen.
Die Karte zeigt, wo und wann der Eisberg schrumpfte, während er von der Weddell-See nordwärts zur Scotia See stiftete. Die Karte links zeigt die Dicke des Eisbergs im Juli 2017, als er sich noch in der Nähe des Eisshelfs befand. Dicker war das Eis damals am linken Rand, nahe dem Eisshelf, dünner war es an der rechten Seite des Eisbergs. Durchschnittlich war der Eisberg 235 Meter dick. Auf dem Weg nach Norden traf er auf wärmeres Wasser und wärmere Luft, die das Abschmelzen beschleunigte. Als der Eisberg im Januar 2021 South Georgia erreichte, war er nur noch 168 Meter dick.
Etwa 85 Prozent eines Eisbergs befinden sich unter der Wasseroberfläche, was die Messung der Dicke deutlich erschwert. Heutzutage können Wissenschaftler aber aus dem über dem Wässer liegenden Teil Rückschlüsse auf die Dicke des gesamten Eisbergs ziehen. Messgeräte an Bord von Satelliten können heutzutage die Entfernung vom Satelliten bis zur Meeresoberfläche und vom Satelliten bis zum Eisberg sehr genau messen – so lässt sich die Dicke des Eisbergs ermitteln.
Die Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass der Schmelzprozess von oben für 32 Prozent des Verlusts von Juli 2027 bis Januar 2021 verantwortlich ist. Der Höhepunkt des Schmelzvorgangs würde nahe der Insel Südgeorgien erreicht, wo innerhalb von drei Monaten 152 Milliarden Kubikmeter Frischwasser dem Ozean hinzugefügt wurden. Dies entspricht etwa 61 Millionen Olympiaschwimmbecken. Forscher untersuchen immer noch die Auswirkungen des Frischwassereintrags auf das lokale Ökosystem.
Weitere Verluste des Eisbergs treten auf, wenn an den Kanten größere Stücke abbrechen. Dies passierte, als der Eisberg A-68A von den geschützten Gewässern in Antarktisnähe in Richtung Norden driftete und so den zerstörerischen Wellen des offenen Ozeans ausgesetzt war. Zum Schluss überwog das Auseinanderbrechen, als der Eisberg die nördliche Scotia Sea erreichte.
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