Mehr als 50 Tornados im Jahr

Mit nur wenigen Fällen fing vor mehr als 20 Jahren alles an, inzwischen stehen weit über 6.000 Tornados und Tornadoverdachtsfälle in der Tornadoliste Deutschland. Nach Ablauf des zurückliegenden Jahrzehnts wird es Zeit für eine erneuerte Statistik.




Große Schwankungen gab es bei der Zahl der bestätigten und plausiblen Tornados in Deutschland über die Jahrzehnte hinweg. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der registrierten Tornados deutlich zu. Dieser Trend hielt mit Pionieren wie dem Meteorologen und Geophysiker Alfred Wegener bis in die 1930er Jahre an, unterbrochen nur durch den Ersten Weltkrieg.

Durch den Zweiten Weltkrieg kam die Tornadoforschung in Deutschland nahezu komplett zum Erliegen. Dies spiegelt sich auch in der Grafik wider. Die vorübergehende Zunahme in den 1950er Jahren ist vor allem auf Meldungen durch amerikanische Soldaten zurückzuführen. Bei der Tornadoforschung tat sich erst einmal wenig bis gar nichts. Nur hier und da gab es interessierte Kollegen, die einzelne Fälle zusammentrugen. Daran änderte sich auch in den folgenden Jahrzehnten nur wenig, während immer mehr Bilder von Zerstörungen nach Tornados in den USA auch durch die deutschen Medien gingen. So entstand das schiefe Bild von vielen verheerenden Tornados in Nordamerika und nur wenigen, angeblich meist harmlosen Windhosen in Deutschland. Der F4-Tornado von Pforzheim im Juli 1968 wurde als Ausnahme betrachtet. Inzwischen weiß man, dass dieses Bild falsch ist und dass Tornados in Deutschland genauso stark sein können wie in den USA. Ein Tornado ist ein Tornado, egal wo.

In den Jahren 1999 und 2000 änderte sich einiges. Denn durch private Initiativen von Nikolai Dotzek („TorDACH“) und der Tornadoliste Deutschland wurde wieder eine systematische Erfassung von Tornados und Tornadoverdachtsfällen in Deutschland ins Leben gerufen. Dadurch änderte sich das Wissen über Tornados in Deutschland grundlegend. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen wider, wobei auffällt, dass die Anzahl der Tornados nach 2010 wieder etwas zurückging. Es gibt allerdings von Jahr zu Jahr enorme Schwankungen.

Schaut man sich die vergangenen 30 Jahre an, erkennt man sofort, dass die Zahl der bestätigten oder plausiblen Fälle in den 1999er Jahren zunächst sehr niedrig lag. Erst Ende des Jahrzehnts gibt es einen sprunghaften Anstieg. Seitdem schwanken die Zahlen sehr stark in Abhängigkeit von der Großwetterlage in dem betreffenden Jahr. So wurden im Dürrejahr 2018 nur 27 Tornados in Deutschland registriert.

Im Mittel wurden in den 20 Jahren von 2001 bis 2020 in Deutschland 53,7 bestätigte oder plausible Tornados beobachtet, dazu kommen im Mittel 154,8 Verdachtsfälle. Herausragend sind die Jahre 2006 mit extrem vielen Tornados auf Nord- und Ostsee sowie 2016 mit einer wochenlangen Unwetterlage mit zahlreichen, nahezu ortsfesten Gewittern einschließlich Dutzenden Tornados.

Auch die Zahl der Tornadoverdachtsfälle (orange in der Grafik) ist mit der Wiederaufnahme der Tornadoforschung wieder deutlich angestiegen, auch hier mit sehr großen Schwankungen. Während der Unwetterlage von Ende Mai bis Mitte Juli 2016 gab es viele Tage mit einer zweistelligen Zahl an Verdachtsfällen, unzählige Sichtungen von Trichterwolken führten zu mehr als 400 Verdachtsfällen.

Erst seit Ende der 1990er Jahre werden immer mehr Tornadoverdachtsfälle erfasst. Allein in den vergangenen 20 Jahren sind es mehr als 3.000 Fälle, von denen die meisten ungeklärt bleiben dürften. Der größte Teil davon sind – anders als früher – Beobachtungen von zum Teil weit hinab reichenden Trichterwolken, bei denen nicht bekannt ist, ob es Auswirkungen des jeweiligen Wirbels am Boden gab.

Wie es in Zukunft weitergeht, ist völlig offen. Die teils extrem trockenen Sommer in den vergangenen Jahren zeigen, dass die Klimaerwärmung nicht automatisch zu mehr Tornados in Deutschland führt.

Titelbild: Alexander Hildebrandt, Aken

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