Tornados ganz normal in Deutschland
Nach den Tornados in Kiel, die am Mittwochabend (29.09.2021) mehrere Verletzte forderten und einige Schäden anrichteten, ging es bei der Berichterstattung in den Medien wieder einmal drunter und drüber. Dies lag aber nicht nur an den Medien, denn einige Redaktionen zeigten, wie es richtig geht mit guter Recherche und Nachhaken bei einem wirklichen Experten. Ein großes Problem ist aber, dass sich selbst die meisten Meteorologen mit Tornados und speziell mit Tornados in Deutschland einfach nicht auskennen. Dies muss sich dringend ändern, daher hier einige wichtige Fakten.
WTF?! Mehr Wetterdesinformation geht nicht @NDRsh @NDR. Meeno Schrader mit dem maximal möglichen Unsinn zu Tornados, drüben bei Facebook: https://t.co/EVVFSIC5nR
— Daniel Rüd (@drued) September 30, 2021
Es geht gar nicht darum, jemand zu verunglimpfen, aber hier ist leider einiges schiefgelaufen. Denn die Begriffe Windhose und Tornado beschreiben dasselbe Phänomen, es sind alles Tornados! Und Tornados können bei uns genauso stark sein wie in den USA, selbst tonnenschwere Mähdrescher wurden in Deutschland schon durch die Luft gewirbelt. Die meisten Tornados sind nur schwach, auch in den USA. Mehr als 1000 Meter Durchmesser kommen selbst in den USA bei Tornados nur selten vor. Man kann gar nicht alle Fehler in dem Video aufzählen. Durch die fälschlicherweise erfolgte Unterscheidung zwischen Windhosen und Tornados entsteht ein völlig falsches Bild. Und ein großer Tornado ist nicht automatisch stärker als ein kleinerer. Nach Angaben in dem Video weist ein Tornado Windgeschwindigkeiten von 400 bis 500 km/h auf, eine Windhose dagegen „nur“ 150 bis 180 km/h. Diese Darstellung ist natürlich falsch und es stellt sich die Frage, was mit dem Bereich zwischen diesen Zahlen ist.
Dass es ganz anders geht, zeigt das Magazin Stern, dessen Redakteur nicht nur recherchiert, sondern bei einem tatsächlichen Tornado-Experten nachgefragt hat.
Nach Windhose in Kiel: Experte: "Tornados gehören zum Wettergeschehen in Deutschland dazu" https://t.co/MUhAtFPXNn
— stern (@sternde) October 1, 2021
Auch die Stuttgarter Zeitung fragt nach dem Unterschied zwischen einer Windhose und einem Tornado und beantwortet die Frage danach korrekt mit „Es gibt keinen!“
Was ist der Unterschied zwischen einem Tornado und einer Windhose? #Video #Tornado https://t.co/VFpZEcrzc7
— Stuttgarter Zeitung (@StZ_NEWS) September 30, 2021
Es folgen einige Fakten und Klarstellungen zu Tornados in Deutschland:
In jedem Jahr treten in Deutschland Dutzende Tornados auf, wobei die Hauptsaison von Mai bis September reicht. Allerdings kommen auch außerhalb dieser Zeit immer wieder Tornados in Deutschland vor, unter anderem im Bereich von Sturm- oder Orkantiefs. Wir gehen im Mittel von 30 bis 60 Tornados pro Jahr aus, wobei die Zahlen von Jahr zu Jahr stark schwanken und das Mittel der vergangenen 20 Jahre bei gut 50 pro Jahr liegt. Dabei können Tornados in Mitteleuropa genauso stark sein wie in den USA. Die meisten Tornados sind allerdings schwach (Stärke F0 oder F1) – dies gilt auch für die USA.
Häufig werden Trichterwolken in Deutschland beobachtet, die Zahl dürfte dreistellig pro Jahr sein. Unter einer Trichterwolke versteht man den durch Kondensation sichtbaren Teil eines Wirbels, der sich unsichtbar nach unten fortsetzt. Gibt es durch den Wirbel Auswirkungen am Boden, dann spricht man von einem Tornado, der aber nicht durchgehend sichtbar sein muss. Direkt über dem Boden wird der Wirbel oft durch aufgewirbelten Staub (oder aufgewirbeltes Wasser) oder auch hochgewirbelte Trümmer sichtbar. Man darf sich nicht davon täuschen lassen, wenn nur die Trichterwolke zu sehen ist und der untere Bereich zum Beispiel durch Häuser und Bäume verdeckt ist. Wird eine solche Trichterwolke beobachtet, besteht also ein Tornadoverdacht, ebenso wenn verdächtige Schäden aufgefunden werden. Rund 170 Tornadoverdachtsfälle wurden in 2021 bisher registriert.
Übrigens gibt es derzeit keinen nachweisbaren Zusammenhang der Tornadohäufigkeit mit dem Klimawandel. Die bisher vorliegenden Zahlen lassen keinerlei Trend erkennen. Ob in Zukunft die lokalen Unwetter und damit auch die Tornados häufiger und stärker werden, ist noch völlig offen. Das Video beim NDR lässt den Schluss zu, dass es bisher bei uns nur (harmlose) Windhosen gibt und erst in Zukunft „kleine Tornados“ möglich sind. Und natürlich gibt es keine „Mini-Tornados“ – ein Tornado ist ein Tornado, egal ob in den USA oder in Europa.
Titelbild: Tornado bei Bevern (Niedersachsen) am 17.08.2020, Foto: Isabell Mischler
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