Gewitter- und Tornadogefahr am Freitag

Schauer und einzelne kräftige Gewitter sind derzeit in einigen Regionen Deutschlands an der Tagesordnung. So wurden am Mittwoch aus einigen Orten im Norden Überschwemmungen nach Starkregen mit Regenmengen bis über 100 Liter pro Quadratmeter gemeldet. Im Bereich der nur langsam bis gar nicht ziehenden Gewitter wurden zudem einige Trichterwolken und Tornados beobachtet. Auslöser ist ein schwaches Tief über der Nordsee, das am Freitag langsam in Richtung Deutschland zieht. In seinem Bereich ist feuchte und recht labile Luft zu finden, in der am Donnerstagnachmittag und am Freitag weiterhin örtlich Starkregen droht.  Die Tornadogefahr ist im Norden und in der Mitte im Bereich der Schauer und Gewitter erhöht.




Entwicklung der Wetterlage bis zum Freitagabend aus dem ICON-Modell, Quelle: Unwetteralarm

Das schwache Tief mit dem Namen WOLFGANG zieht bis zum Freitagabend sehr langsam nach Deutschland und schwächt sich bis dahin weiter ab. Damit stellen sich hier nur schwache Luftdruckgegensätze mit nur wenig Wind ein.

Radarbild vom Donnerstagnachmittag, 14:30 Uhr MESZ, Quelle: Unwetteralarm

Am Donnerstagnachmittag bildeten sich vor allem im Nordosten und Osten einzelne Schauer und von den Niederlanden her näherten sich Schauer dem äußersten Nordwesten Deutschlands.

Simulierte Radarechos am Freitag, 13 Uhr MESZ aus dem COSMO-Modell, Quelle: Unwetteralarm

Mit Annäherung des Tiefs – einschließlich bodennah recht feuchter und zugleich höhenkalter Luft – entstehen ab Freitagmittag in der Nordhälfte gebietsweise einzelne Schauer und Gewitter.

Simulierte Radarechos am Freitag, 16 Uhr MESZ aus dem COSMO-Modell, Quelle: Unwetteralarm

Im Laufe des Nachmittags verstärkt sich die Schauer- und Gewittertätigkeit. Im Bereich der langsam ziehenden Gewitter besteht vor allem die Gefahr von Starkregen und kleinem Hagel. Mit Sturmböen ist höchsten vereinzelt zu rechnen.

Vertikale Windscherung 0-6 km am Freitag, 16 Uhr MESZ aus dem COSMO-Modell, Quelle: Unwetteralarm

Unter der vertikalen Scherung versteht man den Windunterschied zwischen der bodennahen Schicht und der Höhe, in diesem Fall von 0 bis 6 Kilometer. Vor allem im Norden ist dieser Unterschied – Scherung genannt – am Freitagnachmittag verbreitet nur sehr gering oder praktisch nicht vorhanden. Es weht nur schwacher Höhenwind. Damit ziehen die Schauer und Gewitter meist nur langsam. Bei solchen höhenwindschwachen Wetterlagen können typischerweise auch einzelne Tornados entstehen.

Potenzial für Typ-II-Tornados am Freitagnachmittag aus dem ICON-Modell, Quelle: Unwetteralarm

Experimentell wird derzeit das Potenzial für die Entstehung von so genannten Typ-II-Tornados berechnet. Beim Wert 0 besteht fast kein Potential für die Bildung, bei 10 besteht sehr hohes Potential für die Bildung, sollte es zu entsprechenden konvektiven Ereignissen am Vorhersageort kommen. Für Insider ist es zusammengefasst eine Weiterentwicklung des SWI (Szilagyi Waterspout Index), angepasst auf die höhere Auflösung des ICON im Vergleich zum globalen US-Modell. Allerdings bezieht sich der neue Index nicht nur auf Wasseroberflächentemperaturen, sondern auch auf bodennahe Temperaturen und ist damit auf Landflächen übertragbar. Zusätzlich, wegen der höheren Modellauflösung, werden Bodenkonvergenz und Vorticity sowie konvektive Parameter wie der Temperaturgradient 850-700 hPa berücksichtigt.

Zum Hintergrund und zur Unterscheidung zwischen Typ-I-Tornados und Typ-II-Tornados: Die Zutaten für die Entstehung von Tornados sind weitgehend bekannt. Dazu gehören große Labilität mit ausreichenden Temperaturunterschieden zwischen unten und oben sowie feuchte Luft und bei Tornados, die sich im Bereich von so genannten Mesozyklonen (starke Gewitter mit rotierendem Aufwindbereich) starke Windscherung. Nimmt der Wind mit der Höhe deutlich zu und ändert dabei auch noch seine Richtung, spricht man von starker (vertikaler) Windscherung. Passt alles zusammen, können sich Typ-I-Tornados bilden. Die meisten starken Tornado entstehen im Bereich von Mesozyklonen. Die Gewitterzellen lassen sich mit den Radarbildern verfolgen und auch die Rotation ist dort zu erkennen. Kurzfristig sind sogar Tornadowarnungen durchaus möglich. Die Tornadoforschung hat im Bereich der Typ-I-Tornados in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht.

Es gibt aber auch noch die Möglichkeit der Tornadoentstehung, wenn Labilität und Feuchtigkeit vorhanden sind, aber (nahezu) kein Höhenwind. Bei solchen Wetterlagen ohne Höhenwind bewegen sich die entstehenden Schauer und Gewitter kaum bis gar nicht und die Überflutungsgefahr durch lokale Sturzfluten ist enorm groß. So thermisch ausgelöst können sich auch Tornados bilden, man spricht von Typ-II-Tornados, die bisher kaum vorhergesagt werden konnten.

Simulierte Radarechos am Freitag, 19 Uhr MESZ aus dem COSMO-Modell, Quelle: Unwetteralarm

Erst im Laufe des Abend werden die Schauer und Gewitter allmählich weniger und schwächer, aber auch dann sind örtlich noch kräftige Gewitter möglich.

Wie bei nahezu jeder Gewitterlage gilt auch dieses Mal: Wann und wo genau die Gewitter auftreten, kann man nicht vorhersagen und nicht jeder Ort ist gleichermaßen betroffen. Während an einem Ort sprichwörtlich die Welt untergeht, kann nur wenige Kilometer weiter wenig bis gar nichts passieren.

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